
Sexualität und damit verbundene Beziehungen stellen einen wichtigen Bereich im Leben von Menschen dar. In keinem anderen Bereich hat sich aber durch gesellschaftliche Entwicklungen in den letzten Jahren so viel verändert wie hier.
Traditionelle Geschlechter(Gender)identitäten und Orientierungen wie Mann und Frau werden durch LGBTQIA* (L – lesbian, lesbisch; G – gay, schwul; B – bisexual, bisexuell; T – transgender/transsexuell; Q – queer/anders; I – intersexuell; A – Asexuell) erweitert. Beziehungen werden neu definiert und stellen dadurch auch neue Herausforderungen für Paarbeziehungen dar. Sexualpraktiken werden hinsichtlich ihrer Normalität breiter, neue Konzepte z.B. virtuelle sexuelle Beziehungen mit Avataren (Virtual-Reality-Porn) und Robotern aber auch Puppen stelle neue (sexuelle) Beziehungsstile dar. Aber auch traditionelle Konzepte wie sexuelle Beziehungen in einer Partnerschaft werden durch Gesetze (z.B. Vergewaltigung in der Ehe) neu reglementiert oder durch das gegenseitige Einverständnis (BDSM-Spiele) erweitert.
Kinder werden über soziale Medien auch immer häufiger mit dieser Thematik konfrontiert. So ist z.B. „Sexting (das Verschicken und Tauschen von eigenen Nackaufnahmen)“ bei Jugendlichen bereits sehr beliebt und wird oft unreflektiert betrieben. Aber auch Eltern, Pädagogen und Psycholog:innen und Psychotherapeut:innen sind von dieser Entwicklung überfordert. Was ist jetzt noch erlaubt, was sexuelle Belästigung, Kinderpornografie, pervers oder auch pathologisch. Was ist behandlungsbedürft, strafbar oder vielleicht sogar normal?
Das ICD-11 greift diese Veränderungen bereits auf und definiert pathologisches Sexualverhalten neu. Dabei wird der Leidensdruck der betroffenen Person als primäres Kriterium für den Störungsbegriff definiert, der durch gesetzliche, biologische oder statistische Kriterien ergänzt wird. Dadurch ist z.B. die „Sexsucht“ in der Kategorie „Störungen der Impulskontrolle“ als „Störung mit zwanghaftem Sexualverhalten (6C72)“ zu finden. Sie wird charakterisiert als „ein anhaltendes Muster des Unvermögens, intensive, sich wiederholende sexuelle Impulse oder Triebe zu kontrollieren, was zu wiederholtem Sexualverhalten führt. Zu den Symptomen gehören u. a., dass wiederholte sexuelle Aktivitäten so sehr in den Mittelpunkt des Lebens der Person rücken, dass Gesundheit und Körperpflege oder andere Interessen, Aktivitäten und Verantwortlichkeiten vernachlässigt werden, dass zahlreiche erfolglose Bemühungen unternommen werden, um das wiederholte Sexualverhalten deutlich zu reduzieren, und dass das wiederholte Sexualverhalten trotz nachteiliger Folgen fortgesetzt wird oder wenig oder keine Befriedigung findet. Das Muster des Unvermögens, intensive sexuelle Impulse oder Triebe und das daraus resultierende repetitive Sexualverhalten zu kontrollieren, zeigt sich über einen längeren Zeitraum (z. B. sechs Monate oder länger) und verursacht ausgeprägten Leidensdruck oder erhebliche Beeinträchtigungen in persönlichen, familiären, sozialen, schulischen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen. Ein Leidensdruck, der ausschließlich mit moralischen Urteilen und der Missbilligung sexueller Impulse, Triebe oder Verhaltensweisen zusammenhängt, reicht nicht aus, um diese Anforderung zu erfüllen (https://www.bfarm.de/DE/Kodiersysteme/Klassifikationen/ICD/ICD-11/uebersetzung/_node.html ).
„Paraphile Störungen (6D30-3Z)“ werden dabei folgendermaßen definiert: „Paraphile Störungen sind durch anhaltende und intensive Muster atypischer sexueller Erregung gekennzeichnet, die sich in sexuellen Gedanken, Phantasien, Trieben oder Verhaltensweisen äußern, die sich auf andere Personen beziehen, die aufgrund ihres Alters oder ihres Status nicht einwilligungsfähig oder -willig sind, und auf die die Person reagiert hat oder durch die sie stark belastet wird. Paraphile Störungen können nur dann Erregungsmuster umfassen, die einsame Verhaltensweisen oder einwilligungsfähige Personen einbeziehen, wenn diese mit ausgeprägtem Leid verbunden sind, das nicht nur auf die Ablehnung oder befürchtete Ablehnung des Erregungsmusters durch andere Personen zurückzuführen ist oder mit einem erheblichen Verletzungs- oder Todesrisiko verbunden ist.“ Dass dadurch pädophile Gedanken ohne Handlungen bei fehlendem Leidensdruck keine Störung darstellen ist für manche Kolleg:inen schwer nachvollziehbar.
Sexuelle Funktionsstörungen sind nicht im Kapitel 06 (Psychische Störungen, Verhaltensstörungen oder neuronale Entwicklungsstörungen) sondern im Kapitel 17 (Zustände mit Bezug zur sexuellen Gesundheit) zusammengefasst. Hier findet sich auch die „Genderinkongruenz“ als neue Gruppe.
Durch diese vielen Veränderungen ergibt sich auch die Notwendigkeit durch Fortbildungen Kolleg:inen mit diesen neuen „Diagnosen“ aber auch gesetzlichen Veränderungen und Rahmenbedingungen für Partnerschaft und Sexualität vertraut zu machen. Die AVM plant deshalb ein modernes Fortbildungs-Curriculum um diesen Bedarf abzudecken. (Gatterer)
1. SEMESTER_BASISMODUL 1 Biologie der Sexualität • Anatomische, physiologische und psychologische Grundlagen, u. a. Emotion, Kognition, Verhalten, Körper • Hormone, Medikamente • Empfängnisverhütung • Organmedizinische Behandlungsverfahren • Chronische Erkrankungen und Sexualität • Klimakterium • Alter • Sprache und Sexualität
1. SEMESTER_BASISMODUL 2 Sexuelle Verhaltensweisen / Paarbeziehung • Liebe, Sexualität, Partnerschaft, Elternschaft • Sexuelle Lebenswelten – Polyamorie, Mingle • Sexualität ohne Liebe, Vertrauensbrüche • Macht, Ohnmacht, Zärtlichkeit • Kommunikation • Sexuelle Spiele und Spielzeuge • Sexualität im interkulturellen Kontext – Migranten
2. SEMESTER_BASISMODUL 3 Normalität / Pathologie • ICD-10/ICD-11/DSM-5 • Diagnostische Methoden • Ethik, Gesetze • Störungen – wie wird eine Pathologie definiert, was ist grenzwertig • Störung der Sexualpräferenz • Deviationen, Paraphilien • Symptomatologie, Ätiologie • Internetsucht • Geschlechtsidentität
2. SEMESTER_BASISMODUL 4 Sexuelle Entwicklung • Traditionelle Entwicklung, moderne sexuelle Entwicklung • Geschlechtsspezifische Sexualität Mann / Frau / Divers • Heterosexuelle, homosexuelle, bisexuelle, pansexuelle, polysexuelle und Queer Entwicklungen • Genderaspekte der Sexualität • Geschlechtsidentitätsentwicklung (Genderdysphorie und- Inkongruenz) • Pansexualität • Symptomatologie, Ätiologie obiger Identitäten • Rollenbilder, Liebe und Sexualität; wann darf man, wie darf man • Körperbild • Psychologische Aspekte der Sexualität im Alter • Umgang mit Medien • Mythen
3. SEMESTER_BASISMODUL 5 Sexualberatung • Beratungsstrategien • Gestaltung der therapeutischen Beziehung • Sexualberatung / Sexualerziehung im Kindergarten, in der Schule, in Pflegeheimen, im Krankenhaus • Paarberatung
3. SEMESTER_BASISMODUL 6 Paartherapie • Beziehungs- und Paardiagnostik • Muster in Partnerschaften und ihre Ursprünge • Paarberatung und Therapie • Außenbeziehungen, Vertrauen, Vergeben
4. SEMESTER_AUFBAUMODUL 8 Kompetenz Sexualtherapie – Sexuelle Funktionsstörungen bei der Frau / beim Mann • Problemanalyse • Einzelpsychotherapie bei sexuellen Funktions- und Luststörungen • Verhaltenstherapie bei sexuellen Paarproblemen • Körpertherapeutische Interventionen • Herausfordernde Therapiesituationen und häufige therapeutische Fehler • Fallarbeit
4. SEMESTER_AUFBAUMODUL 9 Themen: Sexualstraftäter:innen • Behandlungskonzepte in der Arbeit mit Sexualstraftäter:innen • Macht – Ohnmacht • Präventionsstrategien
INSTITUT FÜR VERHALTENSTHERAPIE
Geschäftsführung Roswitha Grill
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ZIELGRUPPEN MIT ABSCHLUSS ALS SEXUALTHERAPEUT:IN
Psychotherapeut:innen der unterschiedlichen Orientierungen (Eintragung in die Psychotherapeut:innenliste am BM) • Klinische Psycholog:innen und Gesundheitspsycholog:innen (Eintragung am BM) • Ärzt:innen mit PSY-III-Diplom • Psycholog:innen und Psychotherapeut*innen in Ausbildung unter Supervision (AVM, ÖGVT)